Sonntag, 28. Dezember 2014

Rezension- Generation Golf (Florian Illies)

Eine Hommage an die Achtziger-Jahre-Jugend mit all ihren Macken und Liebenswürdigkeiten
  • Autor: Florian Illies
  • Verlag: Argon
  • Erschienen: 2000
  • Seitenanzahl: 224
  • ISBN-10: 3870245123


Über den Autor

Florian Illies (*1971) ist Journalist, Kunsthistoriker und Kunsthändler. Er studierte Kunstwissenschaften und neuere Geschichte in Bonn und Qxford. Der "Generation Golf " folgten die beiden weiteren Bände "Anleitung zum Unschuldigsein" im Jahr 2001 und "Generation Golf 2" im Jahr 2003, in denen er seine Beobachtungen bestärkt.



Inhalt

Die heutige Jugend ist ganz anders als früher! -  dieser Satz wird vielen Jugendlichen von ihren Eltern vorgeworfen, aber waren die damals wirklich so viel besser? Was macht die Generation der in den Achtzigern aufgewachsenen Jugend eigentlich aus? Florian Illies fühlt den Eigenheiten und dem Charakter der "Generation Golf" auf den Zahn, herzlich und analytisch. Er lässt Kindheit und Jugend Revue passieren, schwelgt in den schönen Kindheitserinnerungen vom Nutella essen am Wochenende und dem nach-dem-Baden-Wetten-dass-gucken-Ritual am Samstagabend, setzt sich aber auch mit dem übertriebenen Markenkult und die Politikverdrossenheit seiner Generation auf humorvolle und liebenswerte Weise auseinander. So beschriebt er die aufkommende Ego-Gesellschaft, die den erarbeiteten Wohlstand der Eltern genießt, und im Gegensatz zur rebellischen Vorgängergeneration der '68iger lieber über die neusten Videorecorder diskutiert als gegen Atomkraftwerke zu demonstrieren. Es ist die Darstellung einer Generation, für deren Sinnbild nicht etwa eine historische Epoche oder ein politisches Ereignis, sondern ein Mittelklasse-Auto steht, und von dessen Entwicklung sie geprägt, und von dessen Werbekampagnen sie geleitet wurde. Als Betroffener und Mitschuldiger portraitiert Illies seine Generation und beschäftigt sich kritisch, aber niemals anklagend oder anprangernd mit den Stigmata, sodass der Leser mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf die "Generation Golf" zurückblicken kann.
"Die achtziger Jahre waren das langweiligste Jahrzehnt dieses Jahrhunderts. Nicole sang von ein bßchen Frieden, Boris Becker spielte ein bißchen Tennis, Kaffee hieß plötzlich Cappuccino und Raider Twix. Aber sonst änderte sich nix. Noch ahnten die zwischen 1965 und 1975 Geborenen nicht, daß sich das ganze Leben anfühlte wie die träge Bewegungslosigkeit eines gut gepolsterten Sonntagnachmittags. Ja, noch ahnte man nicht einmal, daß man einer Generation angehörte, der Generation Golf..."

Persönliche Meinung

Während früher Geha- oder Pelikan Füller die Jugend in zwei Gruppen teilte, wird heute nach Apple und Samsung Smartphoneusern selektiert. Der Markenkult hatte seinen Ursprung in den Achtzigern, heute wird nur in völlig anderen Dimension ausgelebt. So konnte ich beim lesen einige Parallelen zischen der Generation meiner Eltern und meiner eigenen feststellen, denn im Grunde ist es mit der Politikverdrossenheit doch immer noch genauso wie damals: Wir wissen mehr über das neuste Modell der "Play Station" als über die Wahleegebnisse der letzten Bunsestagswahl. Ich kann nun auch die Zerstörung von Kindheitserinnerungen einer ganzen Altersgruppe durch die Absetzung von "Wetten, dass..." besser nachvollziehen, und bin dankbar für dieses Buch, durch das ich viel über die Kindheit und Jugend meiner Eltern gelernt habe.
Die Inspektion der "Generation Golf" gibt Hoffnung für die die Entwicklung der heutigen Jugend (vielleicht Generation Digital?), denn aus den Golf- Anhängern und Barbour-Jacken-Trägern ist schließlich auch noch was geworden.



Mittwoch, 24. Dezember 2014

Frohe Weihnachten!

Die Buchstory gibt es jetzt genau einen Monat und 20 Tage und ich weiß nicht, ob es wirklich Menschen gibt, die meinen Blog regelmäßig verfolgen. Trotzdem möchte ich allen, die diesen Post lesen von Herzen ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest, und nicht nur einen guten Start ins neue Jahr, sondern ein gesamt erfolgreiches und gutes 2015 wünschen.


Ich hoffe, dass mehr Menschen auf die Buchstory aufmerksam werden und bin gespannt wie sich der Blog entwickelt.


Viele Liebe Grüße
Pia :)

Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere - Kinofilm

Viel Brutalität gemischt mit ein wenig Sentimentalität
  • Regie: Peter Jackson
  • Drehbuch: Fran Walsh, Philippa Boyens, Peter Jackson, Guillermo del Toro
  • Produktionsland: Neuseeland
  • Erschienen: 1.Dezember 2014
  • Länge: 144 Minuten
  • FSK: 12 Jahre

"Die Schlacht der fünf Heere" -  oder besser gesagt die Schlacht der fünf Gemetzel, Blutbäder oder Abschlachtereien. Ich bin kein Fan von Fantasybüchern oder -filmen aber ich hatte bereits die ersten beiden Teile der Saga aus Mittelerde gesehen und war positiv überrascht, also wollte ich mich auch auf den letzten und entscheidenden Part einlassen. Zunächst einmal hat mir eine kleine Wiederholung der vorherigen Ereignisse aus den ersten beiden Teilen gefehlt, eine kurze Zusammenfassung der Geschehnisse zum Wiederreinkommen in die Geschichte. Stattdessen sah ich mich sofort mittendrin im Geschehen: die Seestadt wird vom bösen Drachen Smaug niedergebrannt, Menschen sterben, werden von den Flammen gefressen. Als die fünf Heere aufeinandertreffen wird es nicht besser, die Brutalität zieht sich durch den ganzen Film, er ist von Tod und Krieg gezeichnet: wegen der Uneinsichtigkeit Torin Eichenschilds kämpfen Orks, Elben, Menschen und Zwerge gegeneinander; dank Computeranimation werden die Dimensionen der Heerscharen beeidruckend dargestellt, aber leider lassen sich auch die Kampf- und Mordvorgänge ziemlich genau beobachten.
Was die Geschichte an sich betrifft, finde ich die Idee, dass sich die Völker der Erde bekriegen, nur wegen der Machtbesessenheit und dem Größenwahnsinn eines einzelnen, sehr realistisch. Es wird um den Berg des Drachen gekämpft, den jedes Volk für sich beansprucht, bis die grausame Arme der Orks angreift, und Torin Eichnschild dank des Hobbits Bilbo Beutlin endlich begreift, dass er seinem Wahn verfällt. Die Streitparteien vereinigen sich und verschreiben sich dem gemeinsamen Kampf gegen die Meute der scheußlichen Kreaturen aus Gundabad, die offensichtlich mächtigste Fraktion. Der Akt der Einsicht Eichenschilds und die Rolle der Freundschaft zu Bilbo hat mir ebenfalls gut gefallen genauso wie die ungleiche Liebesgeschichte zwischen der Elbin Tauriel und dem Zweg Kili. In einer rührenden Szene muss Tauriel mit ansehen wie ihr Angebeteter qualvoll stirbt und erkennt dann erst ihre wahrhaftige Liebe zu ihm. Auch die Tatsache, dass die Schlacht der fünf Heere im Grunde eine David gegen Goliath Angelegenheit ist, bei der letztendlich die Guten gewinnen gefällt mir; allerdings fand ich es etwas komisch, dass die kleinen Zwerge gefühlte 5 Meter hohe Orks mit ein paar Säbelschlägen erledigen können. Auch dass sich Eichenschild und sein Cousin mitten im Gefecht umarmend in Wiedersehensfreude sulen, während rundherum der bittere Kampf tobt, erschien mir etwas unrealistisch, auch wenn es sich um einen Fantasy Film handelt. Von dem Ende war ich ebenfalls etwas enttäuscht: Bilbo Beutlin kehrt ins Auenland zu seiner Hütte zurück, findet sie ausgeraubt und leergeplündert vor. Ich hatte erwartet er würde sein Lebensende mit den so lieb gewonnenen Zwergen verbringen, aber der Film schließt letztendlich mit dem mittlerweile 120 Jahre alten Bilbo, der an seinem Geburtstag Besuch vom alten Gandalf dem Grauen bekommt und voller Erinnerung und Wehmut auf seine Karte von Mittelerde blickt.
Die ersten beiden Teile der Triologie haben mir deutlich besser gefallen, dort wurde nicht permanent gekämpft. "Die Schlacht der fünf Heere" war mir eindeutig zu brutal, obwohl mir die Story an sich und die kleinen Sentimentalitäten sehr gut gefallen haben.

Ich weiß dass ich mit meiner Meinung ziemlich alleine darstehe, aber ich wollte trotzdem meine Sicht als nicht-Fantsy-Fan schildern.

Habt Ihr den Film/die Filme auch schon gesehen? Ich würde mich sehr über Eure Meinungen in den Kommentaren freuen!

Donnerstag, 18. Dezember 2014

Rezension - Das Pubertier (Jan Weiler)

Der Horror der Adoleszenz lustig und authentisch dargestellt
  • Autor: Jan Weiler
  • Verlag: Rowohlt - Kindler
  • Seitenanzahl: 128
  • Erschienen: März 2014
  •  ISBN 978-3-463-40655-8


Über den Autor:

Jan Weiler ist durch sein erfolgreich verfilmetes Romandebüt "Maria ihm schmeckt's nicht" bekannt geworden. Es folgten weitere Romane, darunter zwei Kinderbücher. Weiler ist verheiratet und hat zwei Kinder.


Inhalt:

Die Pubertät - Kinder entwickeln sich langsam zu erwachsenen Menschen und werden zu eigenen Persönlichkeiten; jedoch nicht ohne vorher ordentlich gegen die Eltern zu revoltieren, und das Leben zu Hause auf den Kopf zu stellen. Eine Transformation vom süßen Knirps zum pubertären Backfisch. Jan Weiler ist selbst Vater eines Sohnes und einer Teenager-Tochter, und weiß besonders gut, wie Mädchen in dem Alter ticken. Er beschreibt die Entwicklung seiner Tochter Carla vom 13. bis zum 15. Lebensjahr mit all ihren Eigenheiten, die die Adoleszenz Phase eben mit sich bringt. Gestern noch Papas kleine Prinzessin, heute die hormongesteuerte Zicke, die den Vater nur noch spießig findet.
Carla ist plötzlich faul, unordentlich, sozial inkompetent und interessiert sich zu allem Überfluss und zu Papas größter Sorge auch noch für Jungs! Weiler analysiert auf äußerst investigative Weise das Verhalten des von ihm so genannten "Pubertiers" und bringt dem Leser diese neuartige Gattung Mensch näher. Ob als Versuchsleiter, der sein Forschungsobjekt kritisch beobachtet oder als Vater, der aus seinem Alltag im Pubertätschaos erzählt. Als solcher beschreibt er seine verzweifelten Versuche über Facebook am Leben seines Sprösslings und der anderen Betroffenen teil zu nehmen und die Diskussionen ums monatliche Taschengeld, die letztlich keine sind, weil die Halbstarken-Fraktion sowieso immer gewinnt. Ob Beziehungskrise oder Zahnspangenwahnsinn - Weiler beschreibt seinen facettenreichen Alltag mit einer pubertierenden Hormongesteuerten und wie er mit den verschiedenen Entwicklungsstadien derselben umgeht. Zwischendurch berichtet er immer wieder von seinen Forschungsergebnissen als Wissenschaftler, der das Pubertier als fremdes Geschöpf beobachtet und zu verstehen versucht - ebenfalls auf sehr witzige und authentische Weise, begleitet von lustigen Illustrationen von Till Hafenbrak. Das Buch schließt mit einer Andeutung auf die Entwicklung seines jüngeren Sohnes, der nun mit 11 Jahren beginnt ein Deo zu benutzen, und sich die weiblichen Wesen näher anzusehen - es bestehet also Hoffnung auf eine Fortsetzung über die Gattung der männlichen Pubertiere!


Persönliche Meinung

Schuldig im Sinne der Anklage! Beim lesen habe ich so manches Mal Parallelen in den Verhaltensmustern zwischen Carla und mir entdeckt müssen, und mich ertappt gefühlt! Gerade deshalb war es sehr amüsant, die Reaktionen des Vaters auf das neuartige Benehmen von Carla zu beobachten, und ich finde, er sieht die Pubertät ziemlich locker. Er ist ständig bemüht daran, am Leben seiner Tochter teilzunehmen, auch wenn sie ihn zunehmend davon ausschließen will, er versucht es ihr recht zu machen, das ist rührend. Auch in Konfliktsituationen reagiert Weiler so, wie man es sich eigentlich von den eigenen Eltern wünschen würde: relativ gelassen und humorvoll. Ich muss sagen, da sind meine Eltern deutlich unprofessioneller ;)
Jan Weiler versteht es, seine Erfahrungen mit dem Pubertier auf eine witzige und lebensnahe Weise darzustellen, ohne dabei die Pubertät selbst zu verurteilen und allzu sehr ins Lächerliche zu ziehen. Denn obwohl er sich ausgiebig über die fragwürdigen Umwege der Adoleszenz amüsiert, hat es doch den Anschein, dass er die Entwicklung respektiert und Verständnis dafür zeigt. Auch die passenden Illustrationen zwischendrin haben mir seht gut gefallen.
Meiner Meinung nach, ist das Buch der richtige Stoff für Eltern, deren Kinder im gleichen Entwicklungsstadium festzustecken scheinen, und die lernen sollen, wie man als Erzieher ohne Frust und Streit, sondern mit Verständnis und Unterstützung reagieren kann.
 Denn letztendlich ist das Pubertier immerhin ein junger Mensch, der einfach manchmal auch nicht so genau weiß, wohin er gehört und was mit ihm passiert. Ich weiß, wovon ich spreche!
Ich hoffe auf eine Fortsetzung, denn die 128 Seiten in diesem recht kleinen Buchformat waren doch schnell durchgelesen. Ein heiteres, kurzweiliges Buch sowohl für die Pubertiere als auch für ihre verzweifelte Halter!


Samstag, 13. Dezember 2014

Rezension - Zwei Leben (Samuel Koch & Christoph Fasel)

Samuel Koch verunglückte vor laufenden Kameras und beschreibt sein Leben vor und nach dem folgenschweren Unfall
  • Autoren: Christoph Fasel & Samuel Koch
  • Verlag: adeo
  • Erschienen: April 2012
  • Preis: 17,99 Euro
  • Seitenanzahl: 208 (mit Fotos)


Über die Autoren

Samuel Koch "schrieb" seine Biographie mit Hilfe des Journalisten, Autors und Medienwissenschaftlers Christoph Fasel. Er ist Doktor der Germanistik, besuchte die Henri-Nannen-Schule und schreibt für den Stern, die Bild-Zeitung und die Zeitschrift Eltern.


Inhalt

Es ist der 4. Dezember 2010 und Fernsehdeutschland verfolgt gebannt die letzte "Wetten, dass..." Sendung des Jahres mit Thomas Gottschalk und Michelle Hunziker. An diesem Abend soll eine ganz besondere Wette den Zuschauern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz den Atem rauben: Der 23-jährige Samuel Koch, langjähriger Turner und Schauspielstudent will fünf unterschiedliche, auf ihn zufahrende Autos überwinden; mit einem Vorwärtssalto und auf fast einen halben Meter hohen Stelzen. Soweit der Plan, aber beim dritten Fahrzeug gelingt ihm sein Kunststück nicht so wie geplant: er kommt für eine Nanosekunde auf dem Dach auf, und setzt seinem bisheriges Leben von einer Sekunde auf die andere ein jähes Ende. Hinter dem Steuer saß sein eigener Vater. Einige Hundert Zuschauer in der Halle und ein Millionenpublikum vor dem Fernsehern sind live dabei.
Samuel Koch ist seit diesem Unfall vom Hals abwärts gelähmt, ist Tetraplegiker. Er verbrachte einige Zeit in Klinik und Rehabilitationszentrum in der Schweiz, ist dem Tod von der Schippe gesprungen. In seinem Buch beschreibt er den langen Weg in einen halbwegs normalen Alltag, sein plötzliches Leben in der Öffentlichkeit und im Medienrummel, und wie ihm sein Glaube und seine Familie in seiner heutigen Situation helfen, nicht zu verzweifeln; vor allem aber lernt der Leser den Samuel vor dem Unfall kennen: Einen beliebten, unbefangenen und extrem sportlichen jungen Mann, für den sein Körper und das Training alles bedeuteten. Der Unfall hat ihn zu einem sehr nachdenklicher, vom Schicksal gezeichneter Vollpflegebedürftigen gemacht. Trotzdem: Er kämpft sich zurück ins Leben, hat sein Schauspiel Studium wieder aufgenommen und ist voller Hoffnung für die Zukunft; auch wenn er nur langsam Fortschritte macht und des Öfteren Rückschläge einstecken muss. Aber er macht das Beste aus seiner Situation, und schaut nach vorn, eben typisch Samuel!


"Da stehe ich nun im gleißenden Scheinwerferlicht, eingerahmt von Thomas Gottschalk und Michelle Hunziker. Über 10 Millionen Fernsehzuschauer können mich sehen, hier in der Düsseldorfer Messehalle sind es 4300 Augenpaare , die auf mich fixiert sind. Es ist die 191. "Wetten, dass..." -Sendung. Michelle stützt mich, um ruhig zu stehen brauche ich diese Unterstützung heute Abend durchaus. Der Grund dafür: ich bin unförmig ausgerüstet - 42 Zentimeter größer und 9,5 Kilo schwerer als sonst. Mein Bodenkontakt begrenzt sich auf zwei ein-Euro-Münzen-große Flächen. Wenig später passiert der schreckliche Unfall." 




Persönliche Meinung

Was für ein bewundernswerter Mensch! Samuels Einstellung gegenüber seinem Schicksal und seinem neuen Leben sowie seine positive Ausstrahlung sind bemerkenswert! Er nimmt den Leser mit in die dunkelsten Stunden seines Lebens und bewegt damit tief. Gefangen im eigenen Körper; gerade er, für den sein Sport alles war, kann heute nur den Kopf drehen und minimal seinen rechten Arm bewegen um seinen fast 200kg schweren Rollstuhl zu steuern. Aber trotz allem was ihm passiert ist, strahlt er eine so positive Einstellung zum Leben aus. Beim Lesen kamen mir meine eigenen Ärgernisse im Alltag unglaublich banal vor.
Samuel hat sich mit seinem Schicksal abgefunden aber will seinen Zustand so nicht annehmen, sondern arbeitet hart an einer Verbesserung, er ist eine Kämpfernatur. Beeindruckend finde ich auch, wie sehr ihn seine Familie und seine Freunde begleiten und stützen. Natürlich nehmen auch Michelle Hunziker und Thomas Gottschalk Anteil an seinem Leidens- und Lebensweg: mit einem Vorwort Gottschalks wird auf dem Buchcover geworben. Von diesen leider nur zwei Seiten war ich allerdings etwas enttäuscht, mir hat Hunziker Nachwort deutlich besser gefallen. (Aus dem Unfall haben jedoch beide ihre Konsequenzen gezogen, sie gaben die Moderation der Sendung auf)
Außerdem gefällt mir das Titelbild an sich sehr gut, es zeigt nur Samuels Kopf und lässt zunächst nicht auf sein Schicksal schließen und stellt ihn als normalen jungen Mann dar.
Die Schilderung seines Lebens vor dem 4.Dezember 2010 ist jedoch etwas langwierig, was das Buch bis dahin eher zäh erscheinen lässt. Auch ist der Schreibstil stellenweise holprig, von einem promovierten Germanisten hätte ich besseres erwartet. Insgesamt ist Samuels Geschichte aber sehr bewegend und tief beeindruckend gestaltet, auch durch die vielen Einschübe von Schilderungen und Eindrücken von Freunden, Familie und Pflegern.


In der aller letzten "Wetten, dass...?" Sendung trat Samuel als Gast auf, um nicht zuletzt seinen neuen Film "Honig im Kopf" unter der Regie von Till Schweiger zu präsentieren. Auch seine eigene Stiftung will er aufbauen: Bei all der Aufmerksamkeit und dem medialen Interesse ist es Samuel extrem wichtig, dass auch an all diejenigen Gelähmten, die nicht in der Öffentlichkeit stehen wie er, gedacht wird, und appelliert an die Gesellschaft, den Blick für sie zu schärfen.
Man könnte jetzt mit Fug und Recht sagen: Selbst schuld, wer sich in Gefahr begibt kommt darin um! Und ja, Samuel Koch hat freiwillig, wenn auch mit etwas mulmigen Gefühl bei "Wetten, dass..." mitgemacht, aber trotzdem -entgegen einiger anderer Kritiken- erschüttert mich seine Geschichte zutiefst, und ich finde nicht, dass sein Buch bloß als ein Teil einer inszenierten Medienkampange daherkommt. Natürlich gibt es hunderte Para- und Tetraplegiker in Deutschland, die ein solches Schicksal erleiden müssen, doch Samuel Koch nutzt seine Prominenz aus und gibt Ihnen eine Stimme.


Ich werde mir seinen neuen Film auf jeden Fall ansehen und wünsche Samuel alles Gute für seine berufliche und vor allem gesundheitliche Zukunft!








Mittwoch, 3. Dezember 2014

Rezension - Der Schattensammler (Carl Djerassi)

Schatten- und Sonnenzeiten aus dem Leben von Carl Djerassi
  • Autor: Carl Djerassi
  • Verlag: Haymon Verlag
  • Erschienen: 01.08.2013
  • Preis: 24,90 Euro
  • Seitenanzahl: 480
  • ISBN 978-3-85218-720-4



Über den Autor

Carl Djerassi veröffentlichte mit 90 Jahren seine mittlerweile dritte Autobiographie. Er gilt als Erfinder der Anti-Baby-Pille, hat Kulturen verändert und viele Auszeichnungen dafür bekommen. Aber er ist auch als Schriftseller von Lyrik und Kurzgeschichten bekannt, und erfand die neue Romangattung "Science-in-Fiction". Dabei thematisiert er die Problematiken der Reproduktionsmedizin auch in fiktiven Geschichten und Theaterstücken.



Inhalt

In seiner „aller letzten“ Biographie resümiert Carl Djerassi über sein Leben als Chemiker, Schriftsteller, Theaterautor und leidenschaftlicher Kunstsammler. Er beleuchtet die Kapitel seines Lebens und bezieht sich dabei immer wieder auf Passagen aus seinen früheren Autobiographien, Romanen und Theaterstücken.
Etwas skurril  lässt er sein Buch mit einem Zeitungsartikel über seinen vermeintlichen Freitod beginnen. Seine Mutter hatte früher in zahlreichen Situationen mit ihrem Selbstmord gedroht, was zu zunehmender Entfremdung zwischen den beiden gesorgt und ihn geprägt hatte.
Die Chemie spielt sowohl in Djerassis Leben als auch in seiner Biographie eine große Rolle.
Im Verlauf seines Buches kommt er so immer wieder auf die Reproduktionsmedizin und ihre Folgen zurück, schonungslos offen berichtet er zum Beispiel von seiner eigenen Vasektomie. Ausgiebig berichtet er natürlich auch über die Erfindung der Pille, sein Lebenswerk, durch das er auf er ganzen Welt bekannt wurde. Interessant ist jedoch, dass er den Namen "Anti-Baby-Pille im Deutschen verabscheut, er sieht sie als Mittel für Frauen und nur gegen nicht gewollte Kinder. Auch will er nicht nur als "Mutter der Pille" in den Köpfen der Menschen sein, sondern auch als Schriftsteller und Kunstsammler gewürdigt werden.
Zurzeit lebt Djerassi in San Francisco, London und Wien, trotzdem bezeichnet er sich selbst als heimatlos. Geboren in Österreich, emigrierte er nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in die USA. Mittlerweile hat er sich mit seinem Heimatland versöhnt, dadurch ein weiteres Zuhause bekommen. Der Selbstmord seiner Tochter aber hat ihm aber sein wichtigstes genommen.
Auch seine Jüdische Herkunft thematisiert er, erzählt von den Reaktionen seiner Kollegen. Nebenbei zitiert er Passagen aus seinem früheren Werk „Vier Juden auf dem Parnass“.
Wie er überhaupt zum Schreiben fand, enthält er dem Leser auch nicht vor: Nach der Trennung von seiner Freundin begann er einen Roman über ihre Beziehung und mehrere Gedichte zu schreiben, hat sie aber nie veröffentlichen.
Der Kunstliebhaber in Carl Djerassi nimmt ebenfalls einen großen Raum in seinem Leben ein. So beschreibt er, wie er nackt ein Werk Paul Klees ersteigert, Österreich nicht ganz ohne Hindernisse beschenken will und vor allem erzählt er von seinen Förderprogrammen für junge Künstler. Er nämlich gründete die größte Künstlerkolonie westlich des Mississippi, beherbergt heute Künstler aus über 30 Länder und wandelte so dem größten Schicksalsschlag seines Lebens, den Tod seiner Tochter, ins Positive um.



Persönliche Meinung

Carl Djerassi beweist, er ist ein Lebenskünstler. Er hat die Gesellschaft mit seiner Forschung verändert, ist wegen der Erfindung Pille auf der ganzen Welt bekannt.
Mit Sicherheit ist er eine schillernde Persönlichkeit, von den Schatten seines Leben und seinem Erfolg geprägt.
Dem sollte man Respekt zollen.
Aber Anbetracht dessen, dass Djerassi in den ersten 100 Seiten nur über die chemischen Prozesse zur Synthese der Pille schreibt, und sich im Laufe des Buches des Öfteren in seinen Erzählungen verliert, ist das Buch an vielen Stellen eher langweilig. Die einzig wirklich interessante und bewegende Stelle ist die, an der er den Selbstmord seiner Tochter beschreibt. Hier erfährt der Leser Djerassi nicht als berühmten Chemiker oder bedeutenden Kunstsammler, sondern als Vater der den Tod seines Kindes verarbeiten muss.
Insgesamt wird wohl eher Fachpublikum Gefallen an dem Buch finden.
Ich muss dazu sagen, dass ich den "Schattensammler" im Rahmen eines Praktikums gelesen haben, und mich sonst wohl nie für ihn interessiert hätte.  Ich bereue es nicht, ihn kennengelernt zu haben, musste mich an vielen Stellen aber  eher durch das Buch und die oft zähen Erzählungen quälen. Sein aufregendes Leben hat mich beeindruckt, die Darstellung in dieser Biographie abgeschreckt. Ich hätte gerne viel mehr über sein Privatleben und weniger über chemische Zusammenhänge erfahren.

Er sich aber trotzdem für Carl Djerassis Leben interessiert, sollte es vielleicht mit einer seiner vorherigen Autobiographien versuchen....
oder sich seinen Besuch von Dennis Scheck in San Franzisco ansehen!

http://www.ardmediathek.de/tv/Druckfrisch/Carl-Djerassi-Der-Schattensammler/Das-Erste/Video?documentId=20497018&bcastId=339944

Freitag, 28. November 2014

Lieblingsjahreszeit Herbst

Eindrücke einer Herbstlandschaft

Nach einem wunderschönen Spaziergang durch eine tolle Herbstlandschaft, möchte ich gerne ein paar Eindrücke mit Euch teilen.
Der Herbst ist meine allerliebste Jahreszeit, nicht zu Letzt wegen der aufkommenden Weihnachtsstimmung. 
Wenn es draußen kalt und dunkel ist kann man es sich drinnen mit einer Tasse Tee (und einem guten Buch ;)) wunderbar gemütlich machen. Außerdem mag ich die Natur im Herbst am liebsten; wenn sich die Blätter bunt färben und die untergehende Sonne am Nachmittag alles zum Leuchten bringt.



























 Abschiedslied der Zugvögel


Wie war so schön doch Wald und Feld!
Wie traurig ist anjetzt die Welt!
Hin ist die schöne Sommerzeit
Und nach der Freude kam das Leid.

Wir wussten nichts von Ungemach,
Wir saßen unterm Laubesdach
Vergnügt und froh im Sonnenschein
Und sangen in die Welt hinein.

Wir armen Vögel trauern sehr:
Wir haben keine Heimat mehr,
Wir müssen jetzt von hinnen flieh'n
Und in die weite Fremde zieh'n.

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874)





Der Herbst


Das Glänzen der Natur ist höheres Erscheinen,
Wo sich der Tag mit vielen Freuden endet,
Es ist das Jahr, das sich mit Pracht vollendet,
Wo Früchte sich mit frohem Glanz vereinen.

Das Erdenrund ist so geschmückt, und selten lärmet
Der Schall durchs offne Feld, die Sonne wärmet
Den Tag des Herbstes mild, die Felder stehen
Als eine Aussicht weit, die Lüfte wehen.

Die Zweig und Äste durch mit frohem Rauschen,
Wenn schon mit Leere sich die Felder dann vertauschen,                                                                         
Der ganze Sinn des hellen Bildes lebet
Als wie ein Bild, das goldne Pracht umschwebet.

Friedrich Hölderlin (1770 - 1843)




























Leider findet man bei mir im Moment eher frühlingshafte Temperaturen... 



....ich warte also weiter auf den richtigen Herbst und hoffe dieser Post hat euch gefallen!
Lasst mir doch bitte mal Euer Feedback in den Kommentaren da.

Montag, 24. November 2014

Rezension - Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran (Eric-Emmanuel Schmitt)

Bewegende Parabel einer ganz besonderen Freundschaft
  • Autor: Eric-Emmanuel Schmitt
  • Verlag: Fischer
  • Erschienen: Oktober 2004 (erstmals erschienen 2001 in Paris)
  • Seitenanzahl: 112
  • Preis: 7,00 Euro
  • ISBN: 978-3-596-16117-1


Über den Autor

Eric-Immanuel Schmitt (*1960) ist ein belgischer Romancier, Dramatiker und Filmregisseur. Aufgewachsen in einem atheistischem Elternhaus, bekannte sich später zum Agnostiker und letztendlich zum Christentum. In Lyon ließ er sich zum Pianisten ausbilden  und studierte Philosophie in Paris. Er schrieb mehrere Theaterstücke und Prosa; "Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran" gehört zum "Cycle de l'invisible", in dem sich Eric-Emmanuel Schmitt mit den Weltreligionen beschäftigt und wurde im Jahr 2003 verfilmt.



Inhalt

Ein Junge bestiehlt seinen Vater und spart sein letztes Geld um es für P auszugeben. Er erhofft sich dort die Liebe und Wärme zu bekommen, nach der er zu Hause vergeblich sucht.
Moses ist erst elf Jahre alt, Jude, und lebt allein mit seinem melancholischen und chronisch mies gelauntem Vater in einer dunklen Wohnung in der Pariser Rue Blue; seine Mutter hat sie schon früh mit dem älteren Sohn Costa verlassen. Seither wird er immer mit seinem Bruder verglichen, der Vater verachtet ihn. Regelmäßig geht er in den Lebensmittelladen von Monsieur Ibrahim und klaut ein paar Dosen um das gesparte Geld für Frauen auszugeben. Das aber bleibt von dem schlauen Araber nicht unbemerkt, und so entwickelt sich eine ungleiche aber ganz besondere Freundschaft. Ibrahim, die alle nur den "Araber um die Ecke" nennen, offenbart Moses das Geheimnis des Lächelns und macht sein Leben ein ganzes Stück glücklicher.
Eines Tages aber begeht sein Vater Suizid, er lässt Moses mit ein wenig Geld und einem oberflächlichen Abschiedsbrief zurück. Dieser erkennt seine Chance und lebt weiterhin so als sei nichts geschehen, setzt sich jeden Tag in den alten Lesesessel und knipst die Lampe an damit die Nachbarn nicht misstrauisch werden und kauft regelmäßig in Ibrahims Laden ein. Der weise und erfahrene Mann aber hat sein Schummeln schnell bemerkt und adoptiert ihn kurzerhand. Als Vater und Sohn machen die beiden eine wunderbare Reise ans Meer in seine Heimat - eine bewegende, letzte Reise.




Persönliche Meinung

Eine bewegende und herzerwärmende Geschichte einer ganz besonderen Freundschaft.
Mit feinem Humor spielt Schmitt mit Vorurteilen und erschafft eine kleine Welt, in der Religion und Kultur über die Grenzen einer Freundschaft hinausgehen. Eine wundere Parabel über Alleinsein, Glück, Freundschaft, Wut und Trauer.
Leider ist das Buch sehr kurz, aber vielleicht liegt darin seine besondere Magie.




Sonntag, 16. November 2014

Der Fall Collini - Ferdinand von Schirach (Rezension)

Eine gewaltige Kriminalgeschichte
  • Autor: Ferdinand von Schirach
  • Verlag: Piper
  • Erschienen: 15.01.13
  • Seitenanzahl:208
  • Preis: 8,99 Euro (Taschenbuch)
  • ISBN: 978-3-492-30146-6


Über den Autor

Ferdinand von Schirach wurde im Jahr 1969 als Enkel des NS-Reichsjugendführers Baldur von Schirach geboren. Er gilt als Promi-Strafverteidiger und veröffentlichte erst mit 45 Jahren seine ersten Kurzgeschichten. Dem "Fall Collini" gehen bereits die Bücher "Verbrechen" und "Schuld" hervor, in denen er ebenfalls in Kurzgeschichten Fälle aus seinem Alltag beschreibt.



Inhalt

Warum ermordet ein 66-jähriger italienischer Werkzeugmacher einen 88 Jahre alten Firmenchef auf grausamste Weise und schweig sich daraufhin über sein Motiv aus?
Caspar Leinen denkt sich zunächst nicht viel dabei, als er seinen allersten Mandanten als Strafverteidiger zugesprochen bekommt, ein bisschen enttäuscht ist er, dass er das Verfahren nicht gewinnen kann; die Beweislage ist eindeutig, der Täter, Fabrizio Collini, gesteht den Mord, akzeptiert die lange Haftstrafe. Doch dann wendet sich das Blatt für ihn: Das Opfer, Hans Meyer, ist ein guter Freund, um nicht zu sagen Leinens Zieh-Opa aus Kindertagen.
Er will die Verteidigung in jedem Fall abgegeben, wird aber dann dazu angehalten, sich seinen Ruf nicht bereits zu ruinieren, bevor seine Karriere überhaupt begonnen hat. Und so kommt ein Stein in Bewegung, der ihn bald überrollen wird: Leinen gibt sich nicht damit zufrieden, dass sein Mandant sich nicht zu den Hintergründen seiner grausamen Tat äußert, er verbringt Tage und Nächte mit dem Fall und durchforstet das Leben von Hans Meyer, bis er letztendlich auf seine grausame Vergangenheit als Nazi-Offizier stößt. Dieser war in Italien stationiert und hatte damals eine Partisanenerschießung angeordnet, Collinis Vater war auch unter den Kämpfern gewesen. Für Leinen bricht eine Welt zusammen, das Bild seiner Kindheit wird völlig zerstört. Von nun an setzt er alles daran, Collini zu verteidigen. Er findet heraus, dass dieser bereits in den 60iegr Jahren eine Strafanzeige gegen Hans Mayer gestellt hatte, diese aber nicht weiter verfolgt wurde, da es habe sich bei seinem Erschießungsbefehl um eine Handlung im Sinne des Völkerrechts gehandelt habe. In Wirklichkeit war aber die Verjährungsfrist der Grund, weshalb Mayer nicht mehr angeklagt wurde.
Sein Mandant Collini begeht daraufhin in seiner Zelle Selbstmord und der Prozess wird abgebrochen, was bleibt aber hat Leinens Leben verändert.



Persönliche Meinung

Ferdinand von Schirach ist es gelungen, mich für einen Krimi zu begeistern. Die Geschichte hat mich regelrecht gefesselt, auch wenn sie erst in der zweiten Hälfe des Buches richtig Fahrt aufnimmt.
Schirach ist dabei so sensibel und schafft es mit wenigen Worten, große Emotionen zu beschreiben.
Für den Protagonisten Leinen gerät bei diesem Fall sein Leben ins Wanken: Er stellt sich gegen den wichtigsten Menschen seiner Kindheit, verteidigt seinen Mörder. Dabei hat er aber auch ein sehr kompliziertes Verhältnis mit dessen Enkelin, die er aus früheren Tagen kennt. So erzählt das Buch nicht nur eine Kriminalgeschichte, sondern auch von einer empfindlichen Liebesbeziehung, von schicksalhaften Erlebnissen sowohl in Leinens als auch in Collinis Kindheit. Was bleibt ist letztendlich die Frage: Wie können die Gräueltaten der Nationalsozialisten verjähren? Besonders vor seiner familiären Vergangenheit ist es sehr mutig von Ferdinand von Schirach, sich dieser zu stellen.



Sonntag, 9. November 2014

Ostende 1936, Sommer der Freundschaft - Volker Weidermann (Rezension)

Den letzten Sommer leben, wie es nur die Ausweglosen können.
  • Autor: Volker Weidermann
  • Erschienen: 08.03.2014
  • Verlag: Kiepenheuer & Witsch
  • Seitenanzahl: 160 (gebunden)
  • Preis: 17,99 Euro
  • ISBN: 978-3-462-04600-7



Über den Autor

Volker Weidermann (*1969) ist studierter Politikwissenschaftler und Germanist und arbeitet als Literaturredakteur und Feuilletonchef bei der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
"Ostende 1936" gingen bereits drei Bücher hervor, darunter auch eine Biographie über Max Frisch.



Inhalt

Als die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht erlangen, erlebt die Deutsche Kultur einen dunkles Zeitalter. Für jüdische, ausländische oder kritische Musiker, Künstler und Schriftsteller war oft die Flucht aus Deutschland der letzte Ausweg. Ihre Werke wurden von den Nazis als "entartet" verachtet und verboten.
Das belgische Badeörtchen "Ostende" bot im Jahr 1936 die letzte Zufluchtsstätte für die berühmten und gefeierten Autoren Stephan Zweig und Joseph Roth. Sie wissen, um sie herum wird Europa immer enger, die Nazis machen es ihnen unmöglich ihre Werke zu veröffentlichen und zu verbreiten. In diesem Sommer lassen sie ihre Probleme hinter sich, mit anderen Autoren dieser ausweglosen Lage feiern sie ihr Leben, das im Herbst nie wieder sein so wird wie zuvor.
Sie verbringen ihre Zeit mit Schreiben, aber Joseph Roth verfällt dabei zusammen mit seiner Freundin Irmgard Keun dem Alkohol. Zweig versucht währenddessen unermüdlich seinem Freund aus dem Supf der Verzweiflung zu ziehen, auch mit finanzieller Unterstützung, er aber hat sich längst aufgegeben. Zweig und Roth haben eine enge Beziehung zueinander, Roth war lange ein großer Bewunderer von Zweigs. Sie verbindet eine lange Brieffreundschaft, beide unterstützten sich immer wieder gegenseitig. Zweig fühlt sich für seinen Freund verantwortlich, doch kann er ihn und nebenbei auch sich selbst wirklich retten?



Persönliche Meinung

Volker Weidermann ist es gelungen ein genaues Zeitdokument über die Situation der zwei Schriftsteller im dritten Reich aufzuzeichnen. Mit aufwändiger Recherchearbeit illustriert er ein wertvolles Portrait über den letzten gemeinsamen Sommer der großen Autoren des 20. Jahrhunderts zwischen Verzweiflung und verzweifeltem Lebensdrang. Meiner Meinung nach ist das Buch aber nur wirklich interessant für echte Bewunderer von Zweig und Roth, die sich mit ihnen intensiv vor dem Hintergrund der Nazi-Herrschaft beschäftigen wollen. Ich hatte mir etwas anderes unter der Geschichte vorgestellt, und ärgere mich ein wenig, mir das Buch neu für den etwas teureren Preis gekauft zu haben.



Mittwoch, 5. November 2014

Lehmanns Erzählungen, aus den Bekenntnissen eines Schwarzhändlers - Sigfried Lenz (Sigfried Lenz)

Eindrucksvolle Impressionen einer Zeit, in der Geld seine Bedeutung verloren hatte

  • Autor: Siegfried Lenz
  • Erscheinungsjahr: 1964
  • Verlag: dtv
  • Seitenanzahl: 104
  • Preis: 7,95Euro
  • ISBN: 978-3-423-25141-9



Über den Autor

Siegrfried Lenz wurde 1926 in Ostpreußen geboren und wird zu den berühmtesten deutschen Schriftsteller der Nachkriegszeit gezählt. Er lebte als freier Journalist in Hamburg bis er im Oktober 2014 starb. Er schreibe viele Romane und veröffentlichte Erzählungen, zu seinen berühmtesten Werken gehört die „Deutschstunde“, die in verschiedenen Sprachen übersetzt und verfilmt wurde. „Lehmanns Erzählungen“ wurden zuerst in loser Reihenfolge im Hörfunk gesendet und wegen der großen Nachfrage schließlich als Buch veröffentlicht. Er selbst war ebenfalls in Schwarzmarktgeschäfte verstrickt, daher ist zu vermuten dass das Buch autobiographische Züge aufzeigt. Die Intellektualität Lehmanns, die er mit den die Geschichte begleitenden Dichterweisheiten unter Beweis stellt ist neben der Ich-Erzählform ein weiterer Hinweis darauf.



Inhalt

Die Zeit kurz vor dem Ende des zweiten Weltkriegs und die Jahre danach waren durch Mangel und Not geprägt, der Kampf ums Überleben konnte längst nicht mehr nur mit Papiermark bestritten werden. Der Handel auf dem Schwarzmarkt war für viele Menschen oft die einzige Möglichkeit zur Beschaffung des täglichen Brotes. Der Soldat Holger Heinz Lehmann gleitet eigentlich nur durch Zufall in das gefährliche Geschäft, er stiehlt eine Kiste Silberlöffel aus einem verlassenen Haus, ohne zunächst zu wissen dass es sich um solch wertvolles Gut handelt. Mit seiner Beute macht er sich auf den Weg in die berüchtigte Schwarzmarktgasse in Hamburg und macht erste Erfolge im Tauschgeschäft. Mit besonderem Scharfsinn für erfolgversprechende Geschäfte macht er sich einen bekannten Namen im Geschäft. Durch die Ausführung scheinbar unerfüllbarer Aufträge wie zum Beispiel die Besorgung von 400 Schnapsflaschen für eine Soldatenfeier oder die Beschaffung eines Denkmals wird er ein angesehener Mann. Mit Feingefühl und der Unterstützung seiner Gastwirtin befreit er sich aus jeder misslichen Lage, auch als er mit einem schreienden Baby und einer Badewanne voll Silber eine Zonengrenze überqueren will oder bei einer Razzia gefangen genommen wird. Letztendlich beendet die Währungsreform im Juni 1948 das Treiben der Schwarzhändler. Das Buch ist in Retrospektive Lehmanns auf diese Zeit verfasst, er trauert der Phase der Knappheit und Not hinterher. Diese mache erfinderisch und der Überfluss die Menschen nur einfältig.



Persönliche Meinung

Siegfreid Lenz beschreibt die Situation und Atmosphäre zum Ende des zweiten Weltkrieges und der Zeit danach so authentisch und nachvollziehbar, dass man mit Lehmann um jeden neuen Tausch mitfiebert. Lenz kritisch-ironischem Schreibstil verdankt das Buch eine zeitlose Aktualität, ein grandioses Zeitzeugnis über die Nutzbarmachung der Not und des Mangels.


Ich bedauere es ehrlich gesagt, erst nach seinem Tod auf diesen großen Schriftsteller gestoßen zu sein.





Journeyman: ein Mann, fünf Kontinente und jede Menge Jobs - Fabian Sixtus Körner (Rezension)

Skurril gefühlvoller Road-Movie eines Mutigen, der die Welt auf seine Weise erkundet
  • Autor: Fabian Sixtus Körner
  • Erschienen: 11.11.2013
  • Verlag: Ullstein Buchverlage
  • Seitenanzahl: 288
  • Preis: 14,99 Euro
  • ISBN: 13 9783864930140



Inhalt

Die Waltz der Handwerker ist eine Jahrhunderte alte Tradition. Was macht man aber, wenn man von Beruf nicht Schuster oder Zimmermann, sondern Innenarchitekt ist?
Fabian Sixtus Körner hat sich als solcher auf den Weg gemacht, mit dem Ziel auf allen fünf Kontinenten als Designer, Architekt und Fotograf zu arbeiten und möglichst viele Erfahrungen dabei zu sammeln.
Es ist Januar im Jahr 2010, in Wiesbaden packt den 29- jährigen Innenarchitekten das Fernweh und er überlegt wie er seinen Traumjob und seine Reiselust unter einen Hut bringen kann. Er überträgt die traditionellen Regeln der Handwerker-Waltz ins Medienzeitalter, kündigt sein Zimmer in Deutschland und fliegt auf gut Glück nach Shanghai, wo ihm das erste Jobangebot in Aussicht gestellt wurde – auf seinem Konto liegen 255,69 Euro.
Von dort zieht es ihn nach Kuala Lumpur, über Alexandria nach Addis-Abeba, weiter nach Kopenhagen, über Bangalore nach Brisbane, San Francisco, Havanna, Santo Domingo und Medellín. Eine feste Route hatte er keine. Dabei wird als Juror in einer Model-Castingshow angeheuert, demonstriert mit einem Videoclip gegen das Tanzverbot in Bangalore und macht einen Trompete spielenden Jungen aus San Francisco über Nacht zum Internetstar. Letztendlich landet er nach mehr als zwei Jahren Abenteuerreise einer WG in Berlin-Kreuzberg, auf der Suche nach dem was der Trip aus ihm gemacht hat - nämlich nun zum gefeierten Buchautor auf der Spiegel-Bestsellerliste.




Persönliche Meinung

Das Buch steckt voller Abenteuer- und Reiselust sodass man beim Lesen sofort von Fabian Körners Fernweh angesteckt wird. Er erzählt so spannend von seinen unglaublichen Reiseerlebnissen und Erfahrungen, sodass man manchmal vergisst dass es sich hierbei um keine ausgedachte Geschichte handelt, sondern um die eines unglaublich mutigen jungen Mannes, der sich auf den Weg gemacht hat, die Welt kennenzulernen.


Was uns von seiner Reise bleibt ist ein bemerkenswerter Road-Movie, spannend erzählt und voller Abenteuerlust.





Aufforderung zum Tanz, eine Zweiergeschichte - Christine Westermann & Jörg Thadeusz (Rezension)

Ein Briefwechsel zwischen Christine Westermann und Jörg Thadeusz
  • Autoren: Christine Westermann & Jörg Thadeusz
  • Erschienen: 16.09.2008
  • Verlag: Kiepenheuer & Witsch
  • Seitenanzahl: 208
  • Preis: 8,99 Euro
  • ISBN: 978-3-462-03677-0



Über die Autoren

Christine Westermann ist Journalistin, Autorin, Fernseh- und Radiomoderatorin. Diesem Buch gingen zwei weitere Werke voraus und eines ist ihm bereit gefolgt. Seit nunmehr 18 Jahren moderiert sie die im WDR sehr erfolgreiche Sendung „Zimmer frei“ zusammen mit Götz Alsmann und empfiehlt in der Sendung „Frau TV“ regelmäßig Bücher.
Auf Jörg Thadeusz trifft dieselbe Berufsbezeichnung zu. Seit 9 Jahren talkt er regelmäßig im rbb und moderiert zwischendurch auch andere Formate. Vor „Aufforderung zum Tanz“ hat er bereits drei Bücher geschrieben, zwei weitere schlossen sich an.

Inhalt

Christine Westermann und Jörg Thadeusz fordern sich gegenseitig zum Tanz durch die verschiedensten Themen des Lebens auf, kommen dabei vom Hölzchen aufs Stöckchen, sind ernst, lustig, nachdenklich und romantisch. Der Leser erfährt dabei immer mehr über die beiden Autoren, zumal sich Westermann und Thadeusz am Anfang ihrer Brieffreundschaft drei Jahre zuvor kaum kannten. So erzählen Sie sich gegenseitig Geschichten aus Ihrem Leben und gehen dabei auch tiefgründigen Fragen nach (wie zum Beispiel ob Carl Maria von Weber ein Frauenversteher ist, und ob man einen solchen damit beleidigt). Dabei sind beide rückhaltlos aufrichtig und transportieren das Gefühl einer enormen Interesse an der Person des anderen haben.



Persönliche Meinung

Das Buch liest sich durch die vielen einzelnen Briefe schnell und angenehm. Der Leser kann verfolgen, wie sich Westermann und Thadeusz annähern und in ihren Fragen an den anderen immer mehr an Mut gewinnen. Die teilweise bizzaren Themen und Gesprächen sind ulkig, die ernsten regen zum Nachdenken an (wie zum Beispiel die Frage, ob man mit zunehmendem Alter zwangsläufig immer unempfänglicher gegenüber Katastrophen und Elend in der Welt wird). Obwohl das Buch den Eindruck erweckt, nur an interessierte Westermann- und Thadeusz-Fans gerichtet zu sein, liegt doch sein Haupt Augenmerk darin, eine gegenseitige Annäherung zweier Menschen zu beobachten, die einander nur aus dem Fernsehen kennen und sich so mit gegenseitigen Vorurteilen und Befangenheit behaftet auf ein Kennenlernen der besonderen Art einlassen.


Dabei spielen beide so wunderbar mit dem Distanz und Nähe, dass man als Leser am Ende den Eindruck bekommt, beide würden sich schon ewig kennen.